Auszeichnung mit Zelter-Plakette

Verleihung durch den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier

Dem Kirchen- und Konzertchor wurde am 16.10.2022 mit der Zelterplakette die höchste deutsche Ehrung für Chöre verliehen – mit leichter Verspätung.


Kennen Sie das? Man hat die Schlüssel verlegt und weiß nicht wo? So fühlten wir uns, als wir 2019 damit begannen die Feierlichkeiten für das 200. Bestehen der Kantorei in Aplerbeck, das im Jahr 2024 ansteht, vorzubereiten. Doch was war passiert?
Über Jahrzehnte hinweg hieß es, der Chor habe die Ehrung in den 1950er Jahren erhalten. Sie sollte nur an Chöre verliehen werden, die nachweislich mindestens 100 Jahre durchgängig auch konzertant sangen und sich der musikalischen Volksbildung und deutschem Liedgut verschrieben hatten. Viele Dokumente, die der Chor selbst über Jahrzehnte gesammelt hat um die Geschichte lebendig zu halten, ließen ebenfalls darauf schließen: Diakon Koch, der den Chor über gut 40 Jahre bis in die 1970er Jahre leitete, hat sich kurz nach Stiftung des Preises durch den Bundespräsidenten Heuss für eine Auszeichnung des Chores eingesetzt. Er nahm 1956 Kontakt zur Stadt Dortmund, zum Chorverband und zum Bundespräsidialamt auf und bat um Verleihung der Plakette an den Chor. Die entsprechenden Empfehlungsschreiben gingen 1957 an den Bewilligungsausschuss beim Westdeutschen Chorverband, der die Verleihung befürwortete und dem Chor die Zelterplakette zusprach. Der entsprechende Schriftverkehr ist noch immer vorhanden.

Es gab nur ein Problem: Die Plakette war nirgends zu finden, obwohl sie die Größe eines
Kuchentellers hat und damit schwer zu übersehen wäre. Ihre Zwillingsschwester, die
Pro Musica-Plakette für Instrumentalgruppen, die unserem Posaunenchor verliehen wurde, hing allein in der Georgskirche.
Es wurden viele Ehemalige befragt, wo die Plakette sein könnte. Alle Zeitzeugen hatten keinen Zweifel an der Auszeichnung des Chores, vermuteten die Plakette immer irgendwo anders und doch war niemand jemals bei einer Verleihung in Bonn persönlich zugegen oder kannte jemanden, der dabei war. Nachdem die Recherchen innerhalb der Gemeinde alle ins Leere gelaufen waren, keimten Zweifel auf und wir fassten als Vorstand den Beschluss, formell beim Bundespräsidialamt nachzufragen.
Etwa sechs Wochen nach meiner Anfrage an den Bundespräsidenten kam die kurze Antwort, dass eine Verleihung im Bundesarchiv nicht verzeichnet sei. Außer dem abgebrochenen Schriftverkehr hatten wir also nichts. Wir waren geschockt und es blieb uns nichts anderes übrig als die vorhandenen Aufzeichnungen und Texte und damit auch die Geschichte unseres Chores zu korrigieren. Bis heute ist übrigens nicht klar, wieso niemand vom Chor zum Festakt 1957 erschienen war, um den Preis in Empfang zu nehmen – mehr wäre nicht mehr zu tun gewesen.

Für die 200-Jahrfeier des frisch zu einem Chor refusionierten Kirchen- und Konzertchors 2024 waren wir aber fest entschlossen, wieder zurecht als Träger der Auszeichnung aufzutreten, nur dass nun die gleichen Arbeiten anstanden, die Diakon Koch 1956 bereits einmal durchlaufen hatte – mit deutlich erhöhtem Schwierigkeitsgrad, denn die Formalien für die Verleihung wurden seither an vielen Stellen verschärft. Über 150 Seiten Korrespondenz (Antragsformulare, Beschreibungen, Tabellen und Schriftwechsel per E-Mail) sind dabei ent-standen, dazu mehrere Empfehlungsschreiben, u.a. der Kirchengemeinde, des Bürgermeisters und unseres Chorverbands. Viel Arbeit machten die mehr als 45 Einzelnachweise über die ununterbrochene Chorarbeit, die pro Jahrzehnt durchgängig mit mehreren Nachweisen belegt werden mussten, was für mindestens 150 Jahre bis in die Gegenwart (Proben mit modernster Technik unter Corona-Bedingungen) hinein gut möglich war. Die Belege zu Erstaufführungen konnte ich durch intensive Recherche zumindest für die letzten 70 Jahre erbrin-gen.

Gefordert war außerdem aber ein Gründungsbeleg per Foto oder Zeitungsartikel, was sich ein wenig schwierig gestaltete: Die Fotografie war im Gründungsjahr 1824 schlicht noch nicht erfunden und mit der Presse in Dortmund und Umgebung war es auch noch nicht so weit her. Wir waren einfach zu alt für die Regularien.
Man räumte uns Ende 2019 nach diversen Diskussionen das Recht ein, auch eine Urkunde als beglaubigte Ablichtung einzureichen. Die entsprechenden Kirchbücher liegen im landeskirchlichen Archiv in Bielefeld. Pfarrer Dr. Majoros vermittelte mir einen Kontakt dorthin und ein mehrtägiger Recherchetermin war geplant. Dann kam Corona und das Archiv wurde für den Publikumsverkehr geschlossen. Die Abstimmung erfolgte nur noch per Telefon und E-Mail und war dennoch ein voller Erfolg. Die entsprechenden Passagen in den Büchern konnten durch den Archivar identifiziert werden und er schickte mir Mitte November 2020 hochauflösende Scans der Kirchbuchseiten sowie beglaubigte Ablichtungen per Post zu.
Die Texte selbst sind von mindestens sechs Schreibern in der Deutschen Kurrentschrift und ohne die heute gängigen Schreibregeln verfasst und mussten zunächst über einen längeren Zeitraum fachkundig übersetzt werden. In den Texten war es dann aber wirklich so, dass Aufbau und Fortgang der Chorarbeit in den ersten Jahren eindrucksvoll beschrieben waren.

Die Dokumente und umfangreichen Einzelbelege gingen dann schließlich im November 2021 als Paket (!) auf die postalische Reise an alle drei beteiligten Chorverbände um die Fristen zur Verleihung der Plakette im Jahr 2022 einzuhalten. Nach dem Eingang des Dokumentenstapels beim Befürwortungsausschuss des Bundesverbands Musik, Chor und Orchester (BMCO) in Trossingen „verschwand“ er allerdings. Innerhalb einer Woche mussten nun alle Dokumente sowie die Empfehlungen der Beteiligten erneut zur Verfügung gestellt werden, damit der Ausschuss noch fristgerecht würde befinden können.
Von da ab war Teamarbeit gefragt. Ich nahm mir also die drei Folgetage frei, erstellte den Antrag und das Quellenverzeichnis neu, druckte bereits gescannte Dokumente und Nachweise erneut aus, während meine Frau telefonisch alle Institutionen und „Zulieferer“ kontaktierte. Zusammen schafften wir es tatsächlich, alle nötigen Dokumente und Beglaubigungen noch einmal aufzutreiben. Einige Stempel und Unterschriften mussten dafür persönlich neu eingeholt werden und alles erreichte den Ausschuss in letzter Sekunde, der seine Befürwortung im Februar 2022 mitteilte – knapp 66 Jahre nachdem Diakon Koch bereits an diesem Punkt war. Was für ein Krimi!

Neben einem bundesweiten Festakt im Juni 2022 erfolgte die offizielle Übergabe der be-gehrten Plakette an eine Chordelegation am 16.10.2022 in Arnsberg durch Kulturstaatssekretärin Gonca Türkeli-Dehnert. Und so endet die bisherige Geschichte unseres Chores damit, dass die Plakette nun ebenfalls ihren Weg in die Georgskirche finden und dort endlich neben ihrer Schwester, der Pro-Musica Plakette des Posaunenchors, angebracht wird.“

Bericht von Stefan Klebs